Gleichzeitig erzwingt die digitale Transformation, dass ERP-Lösungen funktionell und technologisch auf ihre Branche zugeschnitten sein müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Dies stellt IT-Verantwortliche, Geschäftsführer und alle anderen mit der Entscheidung betraute Personen aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau , Geräte- und Apparatebau, Elektronik oder Werkzeugbau vor große Herausforderungen. Sie müssen daher sehr genau prüfen, ob die Bedürfnisse des gesamten Unternehmens bei der Entscheidung für ein ERP-System erfüllt werden.
Keine Frage: Jedes ERP-Projekt ist so einzigartig, wie die Herausforderungen des Unternehmens, das mit der Umsetzung die eigenen Prozesse neu gestalten und verbessern möchte. Dennoch lassen sich zehn Schritte im Auswahlprozess mit ihren jeweils ganz eigenen Fragestellungen identifizieren, die Fertigungsunternehmen auf dem Weg zum erfolgreichen Abschluss mit dem Anbieter ihrer Wahl durchlaufen sollten.
1. Stellen Sie eine klare Zieldefinition an den Anfang
Am Beginn des Auswahlprozesses müssen Sie klären, welche spezifischen Zielstellungen Sie verfolgen möchten. Die grundlegende Frage ist zu klären, was das Unternehmen mit der ERP-Einführung erreichen will.
Konkret kann es sich dabei um qualitative oder quantitative Zielstellungen handeln. Qualitative Ziele können etwa eine gesteigerte Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette, gezielte Kostensenkungen, eine höhere Liefertreue, ein geringerer Ausschuss oder weniger Stillstand in der Fertigung sein. Dagegen drehen sich quantitative Ziele um einen höheren Ausstoß in der Fertigung, kürzere Durchlaufzeiten, mehr Umsatz oder generelle Optimierungen der Prozesse.
Die digitale Transformation erzwingt, dass ERP-Lösungen funktionell und technologisch auf ihre Branche zugeschnitten sein müssen, um zukunftsfähig zu bleiben.
2. Analysieren Sie Ihre Geschäftsprozesse
Vor dem ERP-Projekt sollte immer eine Analyse der aktuellen Unternehmensprozesse stehen, denn ohne eine genaue Kenntnis des Ist-Zustandes – und ggf. der damit im Zusammenhang stehen „Schwachstellen“ – wird die Formulierung genauer Anforderungen an ein neues ERP zur mühsamen Sisyphusarbeit.
Eine Schwachstellenanalyse sollte unbedingt Teil dieses Schrittes sein, denn hier lassen sich die zukünftigen Optimierungspotentiale abstecken. Fragen Sie sich, welche Prozesse überflüssig sind und welche ggf. durch IT automatisiert erledigt werden könnten (z.B. Abschaffung von Papierwirtschaft durch Datenmanagementsysteme oder automatische Rechnungsverfolgung). Wenn Änderungen auch ohne die Einführung von IT möglich sind, umso besser. Optimieren Sie diese Prozesse losgelöst von der IT und idealerweise vor Beginn des ERP-Projekts.
Checkliste: So gelingt die ERP-Einführung in 5 Phasen

3. Bilden Sie Ihr ERP-Team frühzeitig
Der Erfolg eines ERP-Projektes steht und fällt mit dem Team, das die ERP-Einführung in der Praxis begleitet und umsetzt. Daher sollten Sie frühzeitig einen internen Projektleiter sowie die sogenannten „Key-User“ aus den relevanten Fachabteilungen festlegen und „mit ins Boot holen.“
In der frühen Phase des Projektes involvierte Mitarbeiter sind motivierter, dem Projekt gegenüber positiver eingestellt, offener für zukünftige Veränderungen und evtl. zusätzliche Belastung, und sie sehen im Projekt eher eine positive Herausforderung für sich selbst und ihre zukünftigen Aufgaben.
4. Anforderungen sorgfältig definieren
Voraussetzung für diese Phase des Auswahlprozesses ist, dass Sie die Analyse Ihrer Geschäftsprozesse abgeschlossen haben. Nur mit Hilfe einer genauen Kenntnis des Ist-Zustandes können Sie definieren, wie Sie in Zukunft arbeiten möchten. Bedenken Sie die Anforderungen aller relevanten Akteure innerhalb und außerhalb Ihres Unternehmens.

Eine wichtige Quelle bei der Formulierung der Anforderungen sind die Key-User Ihres ERP-Teams. Diskutieren Sie mit ihnen, was ein ERP-Anbieter erfüllen muss, um für sie in Frage zu kommen.
Die Anforderungen und Wünsche Ihrer Kunden in Bezug auf Lieferzeiten, Qualität, Stückzahlen und spezifische Dienstleistungen stellen ebenfalls einen nicht zu unterschätzenden Aspekt dar, denn Ihr neues ERP-System muss diesen ebenfalls Rechnung tragen.
In einem schnelllebigen Marktumfeld, in dem Produkte immer individueller werden und die Losgröße „1“ verstärkt nachgefragt wird, kommt einem smarten Variantenmanagement enorme Bedeutung zu. Auch die Wandelbarkeit der Software –sprich: schnelle Anpassbarkeit an neue Anforderungen – sollte gegeben sein.
Steigende Anforderungen von Kunden an die Qualitätssicherung müssen beachtet werden. Weitergehenden Dienstleistungen in Bereichen wie Service, Beratung und Support sollten ebenfalls in die Planung und das nachfolgende Anforderungsprofil einbezogen werden. Sprechen Sie daher auch mit Lieferanten und Kunden und fragen Sie sie, welche Anforderungen an ein ERP sinnvollerweise mitgedacht werden sollten und wo z.B. eine Kopplung oder ein Datenaustausch der zukünftigen Systeme sinnvoll und ggf. notwendig wird.

5. Ressourcen und Budget planen
Wenn Sie sich bezüglich Ihrer Anforderungen sicher sind, sollten Sie prüfen, welche personellen, materiellen und finanziellen Rahmenbedingungen für das ERP-Projekt verfügbar sind. Neben dem eigentlichen Budget sind auch interne Ressourcen in der Planung zu beachten, um später böse Überraschungen zu vermeiden. Beschäftigen Sie sich daher mit folgenden Fragen:
Wie gelingt die smarte Produktion im Unternehmen?
Smarte Produktionsweisen können Ihrer Fertigung den entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die Anforderungen an die Software werden jedoch immer komplexer.

6. Die erste Anbietersondierung
Als Faustregel für die erste Anbietersondierung gilt: Es sollten max. 8 – 10 Anbieter sondiert werden. Eine größere Zahl an Anbieter macht erfahrungsgemäß wenig Sinn, da sich der Prozess durch den unverhältnismäßig höheren Sondierungsaufwand und viele Abstimmungsgespräche in die Länge ziehen kann. Bei dieser ersten, groben Sondierung sollten Sie Anbieter auswählen, die sich auf die Lieferung und Einführung von ERP-Systemen speziell für fertigende Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau am Markt präsentieren. Recherchieren Sie genau und achten Sie auf Aspekte wie:
7. Lastenheft & Ausschreibung
Im Lastenheft fassen Sie die in der Diskussion mit Key-Usern, Lieferanten und Kunden gesammelten Anforderungen in strukturierte Form zusammen, indem Sie die bisher grob festgehaltenen Vorgaben ausformulieren und präzise beschreiben. Stellen Sie die individuellen Lastenhefte den in der Anbietersondierung ausgewählten Unternehmen zur Verfügung und lassen Sie sich vorher dazu eine Vertraulichkeitserklärung unterzeichnen. Ggf. auch eine Datenschutzerklärung (nach DSGVO).
Dabei gilt: Weniger ist mehr. Gestalten Sie das Lastenheft so detailliert wie nötig, aber nehmen Sie nur die Anforderungen auf, die aus der Analyse Ihrer Geschäftsprozesse erwachsen sind und ergänzen Sie spezifische Fragen zum jeweiligen Anbieter und dessen Lösungen bei seinen Kunden. Weitere Tipps zum Lastenheft finden Sie hier.
Der Aufwand für ein Lastenheft mag groß erscheinen, doch gute Vorarbeit und der Fokus auf das Wesentliche zahlen sich aus, denn die Anbieter werden mit weniger Rückfragen auf Sie zukommen und in die Lage versetzt, realistische Antworten und ggf. Lösungsvorschläge zu erstellen.
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8. Selektion & Präsentation vor Ort
Nun beginnt die heiße Phase der ERP-Auswahl. Die ausgefüllten Lastenhefte sind zurück und es geht daran, den Kreis der Anbieter weiter zu selektieren. Eine Präsentation vor Ort ist der ideale Rahmen dafür. Laden Sie nur die Anbieter zu sich ein, die Ihre zukünftigen Prozesse und Anforderungen verstanden haben, überzeugende Lösungsansätze beschreiben, einen professionellen Eindruck machen und einen klaren Fokus auf die Produktion erkennen lassen.
In der Präsentation stellen sich die Unternehmen vor und präsentieren eine Live-Demo des jeweiligen Systems auf Basis der Anforderungen aus dem Lastenheft. Prüfen Sie die Anbieter auf „Herz und Nieren“ und insbesondere auf:

9. Sprechen Sie mit Referenzen
Werbebroschüren oder Demopräsentationen können eines nicht ersetzen: Den Austausch darüber, wie ein ERP im Alltag funktioniert und läuft. Lassen Sie sich daher von den Anbietern Referenzen nennen, die Sie anrufen oder besuchen können.
Sprechen Sie die Referenzen darauf an, welcher konkrete Nutzen und welche Wertschöpfung durch das ERP realisiert wurden. Wie haben die Anwender die Einführung und den Projektablauf empfunden? Wie zufrieden sind die Mitarbeiter im Alltag?
10. Finale Auswahl
Mit der Abgabe der Angebote geht es auf die Zielgeraden. Sicherlich spielen Kosten eine Rolle bei der Entscheidung, doch bei der Auswahl sollten Sie außerdem auf eine fachlich gute Konzeptionierung, eine gemeinsame Wellenlänge mit dem Anbieter und Branchenkompetenz achten. Darüber hinaus sollten nicht nur die Kosten des Projektes (Lizenzen, Projektleistungen, Reisekosten) betrachtet werden sondern auch insbesondere die lfd. Kosten pro Jahr (Wartungsgebühren, Service- und Support etc.).
Die Best Practice: ERP-Einführung als Unternehmensprojekt behandeln
Ein vielgehörtes Missverständnis ist, dass es sich bei ERP-Projekten um IT-Projekte handelt. Doch die ERP-Einführung ist immer ein Projekt für das gesamte Unternehmen. Die gesamte Wertschöpfungskette und die Anforderungen und Bedürfnisse der betroffenen Fachabteilungen müssen abgedeckt und mitgedacht werden. Oberster Projektleiter ist damit auch immer der Geschäftsführer oder Inhaber, ohne dessen tatkräftige „Rückendeckung“ ERP-Einführungen zum Scheitern verurteilt sind. Daneben sind motivierte Key-User der entscheidende Faktor für das Gelingen von ERP-Projekten.
Projektverantwortliche sollten daher genügend Zeit dafür einplanen, Geschäftsleitung und Key-User einzubinden und die Einführung gut vorzubereiten. Ein ERP-Anbieter kann Sie bei vielem unterstützen, doch die eigenen Mitarbeiter kennen Ihr Unternehmen am besten. Nutzen Sie dieses Wissen. Wenn Stolpersteine vorzeitig aus dem Weg geräumt sind und das ERP-Team motiviert ist, sind die besten Voraussetzungen für eine reibungslose ERP-Einführung gelegt.